Dienstag, 22. Juli 2025

Der Anfang von allem

 

Den HERRN ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis. Wer ihn missachtet, verachtet auch Weisheit und Lebensklugheit. Sprüche 1:7

Dr. Arnaldo Peixoto, Ph. D., blickte auf den Stapel Bücher auf seinem Schreibtisch und empfand nichts als eine tiefe, leere Erschöpfung. Auf den Buchrücken prangte sein Name in goldenen Lettern: “Paradoxien der Macht”, “Die Dekonstruktion des Mythos”, “Soziologie der postmodernen Krise”. Er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, ein gefeierter Intellektueller, dessen Vorträge ganze Hörsäle füllten. Sein Geist war ein Palast komplexer Theorien und gelehrter Zitate, aber sein Herz war ein leeres Zimmer.

Das Problem lag nicht in den Büchern. Es lag in der Sprachnachricht, die in seiner Tasche vibrierte, die zehnte, die er an diesem Tag ignorierte. Sie war von seiner Frau, Helena. Ihre Stimme, eine Mischung aus Flehen und Erschöpfung, sagte dasselbe wie immer: “Er ist immer noch nicht nach Hause gekommen und geht nicht ans Telefon. Ich werde beten.”

Lucas, ihr Sohn. Zwanzig Jahre alt, eine glänzende Zukunft vor sich, aber eine Seele, die auf den Abgrund zuzulaufen schien. Die Noten an der Uni fielen ins Bodenlose, die zweifelhaften Bekanntschaften, der Alkoholgeruch an seiner Kleidung. Arnaldo hatte schon alles versucht. Er hatte Logik, Psychologie, Einschüchterung und Bestechung eingesetzt. Er hatte mit der Eloquenz eines Debattierers argumentiert und Strategien wie ein General entworfen. Und er war gescheitert. Kläglich.

“Beten”, murmelte er vor sich hin, mit einer Verachtung, die seine eigene Ohnmacht verbergen sollte. “Die Verantwortung an eine kosmische Entität auslagern.” Für ihn war Helenas Glaube ein liebenswerter, aber nutzloser Bewältigungsmechanismus. Wissen war Macht, und er, Dr. Arnaldo, war ein Mann von umfassendem Wissen. Wie konnte er keine Macht über das Leben seines eigenen Sohnes haben?

An diesem Abend verließ er die Universität später als gewöhnlich. Der Campus war still, fast gespenstisch unter dem gelblichen Licht der Laternen. Als er am Gebäude der Geisteswissenschaften vorbeiging, hörte er das vertraute Quietschen des Reinigungswagens. Es war Herr Afonso, der nächtliche Hausmeister, ein Mann mit sonnengegerbter Haut und vom Leben schwieligen Händen.

“Guten Abend, Professor. Langer Tag, was?”, sagte Herr Afonso mit einem einfachen Lächeln und hielt inne, den Wischmopp in der Hand.

Arnaldo nickte nur, um seinen Weg fortzusetzen. Aber etwas im ruhigen Blick dieses Mannes entwaffnete ihn.

“Zu lang, Herr Afonso. Und sinnlos,” erwiderte er, die Bitterkeit ungefiltert aus ihm herausbrechend.

Herr Afonso stützte sich auf den Stiel des Wischmopps. “Sinnlos ist ein starkes Wort, Doktor. Sie lehren doch so viele wichtige Dinge.”

“Was nützt es, die Krisen der Gesellschaft zu verstehen, wenn ich die Krise in meinem eigenen Haus nicht lösen kann?”, das Geständnis rutschte Arnaldo heraus, bevor er es zurückhalten konnte.

Der Hausmeister gab keinen billigen Ratschlag oder einen abgedroschenen Spruch von sich. Er blickte nur auf den polierten Boden und dann in das gequälte Gesicht des Professors.

“Wissen Sie, Doktor,” sagte er mit leiser, ruhiger Stimme. “In den Büchern steckt viel gutes Wissen. Aber manchmal ist das Wissen, das wir am dringendsten brauchen, nicht im Kopf. Man findet es auf den Knien.”

Der Satz, so einfach er war, traf Arnaldo wie eine Ketzerei. Ein vereinfachender Aphorismus von einem ungebildeten Mann. Er bedankte sich mit einem knappen Nicken und beschleunigte seine Schritte in Richtung Parkplatz. Doch die Worte von Herrn Afonso folgten ihm.

“Man findet es auf den Knien.”

Zu Hause war die Stille eine Anklage. Er betrat Lucas’ Zimmer. Das unberührte Bett, der Geruch nach schmutziger Wäsche. Auf dem Schreibtisch stand ein Bilderrahmen mit einem alten Foto: er und der siebenjährige Lucas, lächelnd, an dem Tag, an dem er ihm das Fahrradfahren beigebracht hatte. Er erinnerte sich an die Freude, an das Vertrauen des kleinen Jungen in seine Hand, die ihn festhielt.

Wo war dieses Vertrauen jetzt? Wo war seine Hand?

Sein Wissenspalast stürzte ein. Er wusste nicht, was er tun sollte. Es gab keine Theorie, kein Zitat, kein Buch, das ihm die Antwort geben konnte. Er war ein Narr. Ein Narr mit einem Doktortitel, der die einzige Anweisung verachtete, die vielleicht von Bedeutung war.

Neben dem Bett seines Sohnes stürzend, kniete Dr. Arnaldo Peixoto, zum ersten Mal in seinem erwachsenen Leben, nieder. In seinem Gebet gab es keine Eloquenz. Nur ein einziges Wort, wiederholt wie das Mantra eines Ertrinkenden: “Hilfe.”

Es gab keinen Lichtstrahl, keine hörbare Stimme. Aber auf diesem kalten Boden, in diesem Akt der völligen Hingabe, spürte er etwas Neues. Den Anfang von etwas. Es war nicht die Lösung für das Problem seines Sohnes. Es war die Demontage seines eigenen Stolzes. Es war der Anfang aller Erkenntnis.

(Hergestellt mit KI)

Diese Geschichte ist Teil meines Buches Tägliche Weisheit

https://books2read.com/u/baOxyv

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